Umgang mit Trauer nach Suizid

In diesem Beitrag teile ich mit euch meine Erfahrungen wie die Menschen in meinem Umfeld auf den Tod meines Mannes, insbesondere auf das Thema Suizid reagiert haben.

Reaktionen

Wenn zur Sprache kam oder kommt, dass ich verwitwet bin, gibt es ganz unterschiedliche Reaktionen. Mal tiefer gehend, berührend, mal eher oberflächlich. Schon an dieser Stelle erlebe ich immer wieder eine Art Schock oder eine Hemmschwelle; ich vermute allein mein junges Alter macht viele Menschen sprachlos.
Im zweiten Schritt trauen sich dann manche zu fragen, woran mein Mann denn gestorben ist. Was genau passiert ist. Wie alt er war. Es kommen detaillierte Fragen. Je nachdem wie nahe ich dem Menschen stehe, erzähle ich intuitiv auch mehr. Es kommt auch auf dem Raum an, in dem wir uns befinden; ich rede lieber unter vier Augen und in Räumen, wo ich mich wohl, sicher und geschützt fühle. Das kann mein Lieblingscafé sein, aber kein zu öffentlicher und/oder unbekannter Ort.
Natürlich bin ich ehrlich in meinen Antworten und so kommt das Thema Suizid bald auf. Meine Formulierung, dass mein Mann seine Seele frei gelassen hat, sage ich selten. Das ist vielleicht zu abstrakt und eher spirituell, das versteht nicht jeder. Ich formuliere es gerne allgemeiner und sage, dass er selbst entschieden hat diese Welt zu verlassen. Wenn diese Formulierung verstanden worden ist – ich höre es manchmal rattern beim anderen – dann kommt entweder an dieser Stelle der Schock, die Hemmschwelle, die Hilflosigkeit; jedenfalls wird das Gesprächsthema dann lieber beendet.
Oder aber es kommt zwangsläufig die Frage: Aber warum?

Dominante Themen

Und genau das unterscheidet meinem Gefühl nach meinen Trauerfall, meinen Verlust und die Gespräche darüber; es ist eben nicht so „klar“ wie wenn der Partner bei einem Autounfall verstorben ist, einen Herzinfarkt oder Krebs hatte oder ähnliches.
Übrigens fühle ich die Frage: Aber warum? auch im Raum, selbst wenn der/die andere nicht mehr weiter reden möchte oder kann. Irgendwie steht das immer im Raum, ob ausgesprochen oder nicht.
Nun ist die Frage gestellt und ab diesem Moment passiert oft etwas seltsames. Was gerade in den ersten Wochen und Monaten schwierig für mich war, da ich mit mir genügend zu tun hatte. Es kommt zu einer Art Rollentausch und auf einmal bin ich diejenige, die Halt und Trost gibt – dabei bin ich doch auch diejenige, die trauert und Halt und Trost braucht.
Oder aber es passiert etwas sehr schönes: Viele Menschen reagieren sehr lieb und verständnisvoll und öffnen sich, sie erzählen mir ihre eigene Geschichte oder Geschichten aus ihrem nahen Umfeld, wo auch jemand selber entschieden hat diese Welt zu verlassen.

– Kurzer Einschub an dieser Stelle: Das bestätigt für mich auch die Statistik, dass alle 53 Minuten in Deutschland jemand Suizid begeht. Tatsächlich kennen so viele Menschen mindestens einen Fall !! Mein Mann ist der mir nahestehendste Fall, aber tatsächlich habe auch ich zwei weitere Erlebnisse in meinem Leben zu diesem Thema. –

Schwierigkeiten

Ich habe schon viel darüber nachgedacht, warum es so schwierig ist über Suizid zu reden. Warum es gesellschaftlich so ein großes Tabu darstellt. Warum viele Menschen meinen: Bloß nicht ansprechen! Wovor haben sie Angst?
In der katholischen Kirche gilt Suizid als schlimme Sünde und es wurde lange Zeit kein kirchliches Begräbnis gewährt. Die Leichname wurden stattdessen vor den Städten und Dörfern „verscharrt“, lasst es mich einmal so drastisch formulieren.
Sitzt diesen Gedankengut, sitzen diese Gedankenmuster seit Generationen so tief in uns, wenn auch unterbewusst? Könnte das ein Grund für das Tabu und das Schweigen sein?
Ein Grund könnten auch ganz persönliche Erfahrungen, ein Trauma, die eigene Familiengeschichte sein – und die Art wie man selbst damit umgeht.
Ich kann keine abschließende Antwort geben, nur meine Gedanken teilen und Gedankenanstöße geben.

Offenheit

Wer mich kennt, weiß, dass man mit mir offen über meinen Verlust, meine Trauer und auch über Suizid reden kann. Ja, dass es mir sogar ein Herzensanliegen ist darüber zu reden – daher schreibe ich ja auch diesen Blog.
Die Hemmschwelle, die Angst, die Hilflosigkeit, die Überforderung oder was es auch sein mag, liegt also beim anderen. Nicht bei mir.
Dennoch ist meine Erfahrung, dass es auch von meiner Seite gerade dann viel Empathie bedarf. Wem erzähle ich was? An welchem Punkt ist es vielleicht zu viel? Wie viel erzähle ich auf einmal? Vielleicht ist manchem für den Anfang schon die Info ausreichend, dass ich verwitwet bin.
Am liebsten gehe ich natürlich in einen Dialog, aber das geht nunmal nicht mit jedem Menschen.
Ignorieren und mit mir in keinster Weise über meinen Verlust sprechen, war und ist allerdings das schlimmste für mich. Schweigen ist noch schlimmer als vermeintlich „falsche“ Worte finden.
Wir können einander nur verstehen, wenn wir reden und zuhören. Wenn wir miteinander kommunizieren. Durch Schweigen entsteht niemals Verständnis.

Bildquelle: pixabay

Ich bin Svenja,

die bewusst im Hier und Jetzt lebt, die Natur genießt und keine Pläne mehr verschiebt seit ihr Mann diese Welt verlassen hat.

Ich bin Wegbegleiterin und Mutmacherin, die Menschen in Trauer-, Trennungs- und Umbruchsphasen dabei begleitet wieder neu in ihre Lebendigkeit zu kommen.

 

Du bist in schweren Zeiten nicht alleine.

Ich gehe ein Stück des Weges mit dir.