Trauer und Bürokratie

(M)Ein Crashkurs

Das Thema Trauer-Bürokratie ist mir ein Anliegen, da ich selbst erfahren habe, in welchem Jungle der Bürokratie man sich nach einem Todesfall als Hinterbliebene/r befinden kann. Und dass es leider keine zentrale Stelle gibt, die hierbei Hilfe und Orientierung bieten würde. Im Gegenteil, gefühlt wurde ich eher von Pontius zu Pilatus geschickt und musste mir sehr viel im Crashkurs selbst erarbeiten, erfragen und die Informationen miteinander verknüpfen.
Das meiste muss schon in den ersten Tagen, Wochen und Monaten geregelt und entschieden werden. Also in einer Zeit, in der Trauernde oft noch keinen klaren Kopf dafür haben und noch dabei sind den Verlust überhaupt zu begreifen. Die Bürokratie kann als Überforderung und Zusatzbelastung wahrgenommen werden, aber auch als sinnvolle Beschäftigung, das Gefühl etwas tun zu können, eine Aufgabe zu haben. Die Wahrnehmung kann dazwischen schwanken, je nach Tagesverfassung und Thema. Die „Dinge zu regeln“ ist ein wichtiger Bestandteil des Trauerprozesses. Ich persönlich halte es für wichtig und sinnvoll dabei als Trauernde/r selbst aktiv zu sein, sich aber wenn nötig Hilfe zu holen. Sei es beispielsweise eine rechtliche Beratung oder „nur“ die Bitte an einen Freund oder Familienmitglied um Begleitung zu Terminen oder auch um einen Fahrdienst mit dem Auto.

Bürokratie im Todesfall

Hinweis: Ich gebe hier meinen Erfahrungsbericht und meine Reflektion dazu wieder, ohne Anspruch auf Vollständigkeit und nicht im Sinne einer rechtlichen Beratung.

Je nach Größe des Nachlasses und je nachdem, ob es sich nur um einen privaten Nachlass oder zusätzlich um ein Unternehmen/einen Unternehmensanteil oder ähnliches handelt, ergeben sich unterschiedliche bürokratische Wege.
Auch je nach Regelungen und Vorkehrungen, die die/der Verstorbene/r zu Lebzeiten getroffen hat. Ebenso spielt der Überblick der Hinterbliebenen über den Nachlass bzw. der Einblick und die Einbeziehung zu Lebzeiten eine Rolle, insbesondere wenn ein Unternehmen/ein Unternehmensanteil oder ähnliches Teil des zu verwaltenden Nachlasses ist. Außerdem stellt eine Erbengemeinschaft oft eine größere Herausforderung dar als ein Alleinerbe.
Der bürokratische Aufwand in Zusammenhang mit einem Todesfall kann ein gefühlt nicht enden wollender Berg an Ordnern und Unterlagen sein, der sehr viel Brief – und E-Mailverkehr umfasst oder es kann auch schnell und unkompliziert mit den entsprechenden Stellen abgehandelt sein.

Stationen

Gehen wir möglichst chronologisch vor. Die ersten Schritte (be)treffen alle Hinterbliebenen.
Es beginnt beim Bestatter bzw. mit der Wahl des Bestatters. Dort sind verschiedene Entscheidungen zu treffen, ein Sarg/eine Urne auszusuchen. Auch beim Auswählen und Erstellen der Todesanzeige in der Zeitung hilft der Bestatter. Die Sterbeurkunde wird von der Gemeinde ausgestellt, aber auf Wunsch auch vom Bestatter dort beantragt. Ein Hinweis auf Beantragung von Witwenrente/Waisenrente gibt der Bestatter häufig ebenfalls – der Antrag kann online oder bei der Gemeinde gestellt werden. Zeitgleich ist die Organisation der Beerdigung immer der erste Schritt – egal ob Erdbestattung, Urnenbestattung oder das Verstreuen der Asche. Egal ob im großen oder kleinen Kreis. Es ist zu überlegen, wer und wie eingeladen wird, ob und wo ein Leichenschmaus stattfinden soll, die Lokalität muss reserviert werden, die Trauerfeier vielleicht mit dem Pfarrer besprochen werden, Trauerschmuck, Trauergestecke und Trauerschleifen müssen bestellt, ein Grabstein oder Grabkreuz ausgesucht werden usw. Die Gestaltung der Trauerfeier ist sehr individuell und beansprucht entsprechend mehr oder weniger Organisation.

Rentenansprüche

Schon gewusst? Witwenrente gibt es für Hinterbliebene unter 47 Jahren nur maximal 24 Monate in Abhängigkeit von dem eigenen Einkommen. Das war übrigens vor 30 Jahren noch anders. Als ob man sich aussucht, in jungen Jahren schon zu Witwe/r zu werden! Fair finde ich diese Regelung nicht. Wenn sich die berufliche und finanzielle Situation innerhalb der 24 Monate ändert, erhält man immer wieder einen umfassenden Fragebogen, der alles genau prüft. Dabei ist der Anspruch ohnehin eher bescheiden, wenn ein Partner jung verstirbt und noch nicht so viel in die Rentenkasse eingezahlt hat. Bei Arbeitslosigkeit wird über die Witwenrente jedoch immerhin die Sozialversicherung übernommen. Diese Informationen gelten für die gesetzliche Rentenversicherung. Bei der landwirtschaftlichen Sozialversicherung beispielsweise kann der Anspruch auf Witwenrente tatsächlich erst mit 45 Jahren geltend gemacht werden, egal wann der Partner verstorben ist und egal, ob er zuvor die Mindestdauer an Jahren eingezahlt hat. Das finde ich noch weniger fair, um ehrlich zu sein.
Waisenrente war in meinem Fall kein Thema, da ich keine Kinder habe. Daher kann und will ich mich dazu hier nicht näher äußern. Für umfassende Informationen empfehle ich diese Internetseite zu dem Thema Witwen- und Waisenrente.

Finanzen & Co

1. Bankkonto

Ein weiteres Themenfeld, das alle betrifft, sind Banken und Versicherungen. In dörflichen Gegenden wissen Bank und Versicherungsvertreter schnell Bescheid, wenn sie die Todesanzeige in der Zeitung lesen und kommen unter Umständen auf die Hinterbliebenen zu. Ansonsten gilt es selbst aktiv zu werden und die Bank zu benachrichtigen, den Versicherungsvertreter oder die einzelnen Versicherungen anzurufen. Bleiben wir zunächst kurz bei den Bankkonten. Sobald die Bank von dem Todesfall in Kenntnis gesetzt wurde, stellt sie das Konto auf Nachlass d.h. es sind keine Aktionen mehr möglich, Daueraufträge für Miete und Telefon beispielsweise laufen aber weiter. Wenn es sich um ein gemeinsames Konto handelt oder wenn eine Vollmacht vorliegt, kann das Konto geschlossen oder umgeschrieben werden. Ansonsten verlangt die Bank die Vorlage des Erbscheins, das Testament mit Eröffnungsprotokoll oder eine gerichtliche oder notariell beglaubigte Abschrift davon. War es das alleinige Konto des Verstorbenen, wird dieses Konto geschlossen und der Betrag ausgezahlt bzw. überwiesen. Nun spätestens gilt es alle regelmäßigen Zahlungen/Daueraufträge (bspw. Mietzahlung bei einer gemeinsamen Wohnung) auf das eigene Konto zu übertragen und ggf. offene Rechnungen des Verstorbenen zu begleichen. Auch zum Thema Konto und Nachlass verweise ich bei näherem Interesse auf weitere und detaillierte Informationen im Internet, z.B. auf diese Seite.
Bei einer Bank können ebenso Schulden hinterlegt sein, auch Schulden sind Teil der Erbmasse und werden überschrieben. Jede Bank hat Berater, die im Todesfall zur Seite stehen und weiterhelfen.

2. Erbschaftssteuer

Zum Thema Geld zählt auch das Thema Steuer und Finanzamt. Das Finanzamt sollte mit einer Kopie der Sterbeurkunde informiert werden. Die gemeinsame Veranlagung der Ehepartner läuft noch ein Jahr über den Tod hinaus weiter (= Witwensplitting). Der/die Hinterbliebene erhält nun aber eine neue Steuernummer.
Zum Thema Steuer zählt auch das Thema Erbschaftsteuer. Je nach Verwandtschaftsgrad des Erben gibt es unterschiedliche Freibeträge, der Erbschaftssteuer Freibetrag für Ehegatten beträgt 500.000 €. Das Erbschaftssteuerfinanzamt wird automatisch vom Nachlassgericht informiert, bei welchem die Erbmasse anzugeben ist. Danach erhält man ein Schreiben per Post vom Erbschaftssteuerfinanzamt.

3. Versicherungen

Welche Versicherungen sind zu beachten? Alle Sachversicherungen wie die KFZ-Versicherung, wenn vorhanden eine Lebensversicherung, Bausparverträge, Rentenversicherung, Krankenversicherung, Zusatzversicherungen. Zum Teil müssen sie gekündigt/aufgelöst werden, Lebensversicherungen werden ausbezahlt, KFZ-Versicherungen können auch umgeschrieben bzw. die SF-Klasse des Verstorbenen übertragen werden (aber nur so viele schadensfreie Jahre wie man selbst schon im Besitz eines Führerscheins ist. Da können mal ein paar Jahre unter den Tisch fallen).
Versicherungsvertreter oder Versicherungsmakler besitzen eine Übersicht über die Versicherungen; die meisten Menschen haben auch einen Ordner mit entsprechenden Unterlagen zu Hause. So kann man sich als Hinterbliebener und Erbe zunächst einmal einen Überblick verschaffen.

Erbfolge & Erbrecht

Ich habe im Zusammenhang mit Konten und Erbschaftssteuer schon das Nachlassgericht, die Testamentseröffnung und den Erbschein erwähnt. Ein wichtiger Schritt in Sachen Erbe und Bürokratie, da der Erbschein die umfassende Handlungsfähigkeit erst ermöglicht – dieser Schritt kann jedoch ein paar Wochen dauern. Das zuständige Nachlassgericht wird automatisch vom Standesamt, welches den Sterbefall beurkundet, über den Todesfall informiert und schreibt daraufhin den/die Erben an, welche zur Testamentseröffnung eingeladen werden. Das Erbe kann sowohl angenommen als auch abgelehnt werden. Sollte das Testament nicht beim Notar gemacht und automatisch beim Deutschen Testamentsregister registriert sein, sondern erst nach dem Tod gefunden werden, ist dieses schnellstmöglich beim Nachlassgericht vorzulegen. Auch eine Aufstellung der Erbmasse wird in einem formellen Fragebogen verlangt.
Ohne Testament tritt die rechtliche Erbfolge in Kraft. Wer zu welcher Quote erbt, wird im Erbschein dokumentiert.
Auf die Erbfolge möchte ich kurz eingehen, denn ich habe in meinem Crashkurs dazu gelernt:

1. Ordnung (§ 1924 BGB): Kinder des Erblassers und Enkelkinder
2. Ordnung (§ 1925 BGB): Eltern des Erblassers, Geschwister und Nichten und Neffen, auch geschiedene Elternteile der verstorbenen Person sind Erben zweiter Ordnung
3. Ordnung (§ 1926 BGB): Großeltern des Erblassers, Onkel und Tanten, Cousins und Cousinen

Ehegatten steht ein gesetzliches Ehegattenerbrecht zu: Ohne Testament oder Erbvertrag erbt der überlebender Partner nach gesetzlicher Erbfolge zunächst immer ein Viertel des Nachlasses. War er/sie verheiratet, hatte jedoch keinen Ehevertrag, erhöht sich der Erbteil des Partners auf die Hälfte. Die andere Hälfte geht in der Regel an die Kinder des verstorbenen Partners, an eheliche sowie an nicht eheliche. Gibt es keine Kinder, erbt der Ehepartner drei Viertel des Nachlasses. Leben die Eltern oder Geschwister (siehe Ordnung oben) noch, bekommen diese den Rest.
Wenn der Ehepartner per Testament zum Alleinerbe erklärt wird und es keine Kinder gibt, haben die Eltern nach der erbrechtlichen Ordnung trotzdem noch einen gesetzlichen Pflichtteilsanspruch (1/8 zusammen bzw. jeder 1/16 der Erbmasse). Der Pflichtteil ist innerhalb von 3 Jahren nach dem Todesdatum geltend zu machen. 

Verträge, Accounts, Abos

Sind diese offiziellen Themen alle geregelt, bleiben immer noch Abonnements, Mailaccount, andere Online-Accounts, Telefon– und Handyverträge zu kündigen bzw. zu löschen. Heute wird zunehmend auch der Social Media Nachlass d.h. auf Facebook oder WhatsApp ein Thema. Es gibt Fälle, in denen den Hinterbliebenen der Zugriff auf die Facebook-Seite des Verstorbenen verwehrt wurde. Manche haben daher schon gegen Facebook geklagt. Für WhatsApp gibt es die schöne Möglichkeit sich den Chat mit dem Verstorbenen in Buchform drucken zu lassen.

Erbe eines Unternehmens

Ist ein Unternehmen, eine Teilhabe an einem Unternehmen, ein Pachtbetrieb o.ä. Teil des Erbes, gilt es auch geschäftliche Kontakte zu informieren, Verträge zu prüfen und ggf. umzuschreiben, ggf. Aufträge zu stornieren und auch hier das Thema Finanzen d.h. das Geschäftskonto, offene Rechnungen, mögliche Schulden und die Steuerzahlungen im Blick zu haben. Je nach Größe des Betriebs geht es auch um Personalführung und Management. Vielleicht kann der Betrieb eine Weile nach dem Todesfall geschlossen werden. Wenn beispielsweise Tiere in der Landwirtschaft zu versorgen sind und somit eine vorübergehende Schließung unmöglich ist, kann ein Betriebshelfer organisiert werden. Auch hierfür muss ein Antrag gestellt werden. Langfristig muss außerdem eine Entscheidung getroffen werden wie es mit dem Unternehmen weiter geht und dementsprechende Regelungen getroffen werden.
Es gibt Branchen mit eigener Sozialversicherung (Krankenversicherung, Rentenversicherung). Sollte man die Branche verlassen, kann man gezwungen sein die Krankenkasse am gleichen Tag zu wechseln. Egal, welches Schicksal dahinter steht. Das ist eine typische und tragische Seite der Bürokratie.

Nachlassverwalter

Trauer und Bürokratie umfasst also eine ganze Menge und kann auch zu viel sein. Hierfür gibt es Nachlassverwalter, die man engagieren kann. Meistens jedoch wird ein Nachlassverwalter bei vermuteter Überschuldung des Nachlasses eingesetzt, um die Nachlassverbindlichkeiten zu regulieren.

Mein Weg

Ich habe mich entschieden selbst durch den Bürokratie-Jungle zu gehen, da ich die Voraussetzungen und das Wissen hatte. Leicht war das trotzdem nicht immer: Mit jeder Mitteilung an eine Instanz wurde der Verlust gefühlt noch realer. Der Ablauf war weniger strukturiert als in diesem Beitrag aufgelistet. Die vielen Briefe und Mails und Telefonate fühlten sich zeitweise wie ein Fass ohne Boden an.

Trotzdem war es, wie eingangs erwähnt, wichtiger Bestandteil meines Trauerprozesses.

Bildquelle: pixabay

Ich bin Svenja,

die bewusst im Hier und Jetzt lebt, die Natur genießt und keine Pläne mehr verschiebt seit ihr Mann diese Welt verlassen hat.

Ich bin Wegbegleiterin und Mutmacherin, die Menschen in Trauer-, Trennungs- und Umbruchsphasen dabei begleitet wieder neu in ihre Lebendigkeit zu kommen.

 

Du bist in schweren Zeiten nicht alleine.

Ich gehe ein Stück des Weges mit dir.