Zwischen JA und NEIN zum (Weiter)Leben

Balanceakt

Ich schrieb kürzlich über den Schwebebalken als Metapher.
Trauer ist nicht nur ein Balanceakt zwischen zwei Welten.
Sie ist auch ein Balanceakt zwischen JA und NEIN zum (Weiter)Leben. Immer wieder bewusst JA zum Leben sagen, wenn einer der liebsten Menschen gegangen ist – das kann so schwierig sein und ist doch so wichtig für den eigenen Trauerweg!
Und trotzdem gibt es da auch den anderen Teil, der NEIN sagt, der fragt warum ich noch hier bin, warum ich weiter mache, wozu ich jeden Morgen aufstehe und was das hier alles für einen Sinn ergibt.
Diese beiden Teile ringen oft miteinander. Ich balanciere auf dem Schwebebalken und drohe mal zur einen, mal zur anderen Seite hinunter zu fallen.
Im einen Augenblick, an einem Tag so, im nächsten Augenblick, am nächsten Tag schon wieder anders.
Erst ignoriere ich alle meine Bedürfnisse und will dann wieder super gut für mich sorgen.
Im einen Moment ist die Freude groß über einen Job, über eine geplante Aktivität oder eine schöne Begegnung und im nächsten Moment fühle ich mich nur leer und traurig.
Trauer ist für mich auch diese Ambivalenz zwischen JA und NEIN zum (Weiter)Leben. Ich spürte, dass ich ohne dieses JA nicht überleben würde. Auch wenn es schwer fiel und oft noch schwer fällt und ich dieses JA vielleicht noch unendlich oft innerlich wiederholen muss. Aber eines wusste ich sicher: Ich möchte nicht, dass das NEIN zum Leben in mir gewinnt.

Zweikampf

Tief in meinem Innersten,
bringt mich ein Kampf
fast zum Zerbersten.

Ein Kampf ganz ohne Waffen,
macht mir dennoch zu schaffen,
Ein Kampf zwischen Ja und Nein,
kann nicht mehr ich selber sein.

Ein Kampf im Verborgenen,
ein Kampf ohne Pause.

Ein Kampf, bei dem man nicht helfen kann,
mit großer Verzweiflung dann und wann.

(Gedicht von mir)

Indianergeschichte

Es gibt eine sehr bekannte Indianergeschichte, die dieses Thema auch sehr gut beschreibt:

Ein alter Indianer sitzt mit seinem Enkelsohn am Lagerfeuer. Sie reden über das Leben mit all seinen Herausforderungen. Der Alte erzählt von einem Kampf in seinem Inneren:
„Es fühlt sich an, als würden zwei Wölfe in mir kämpfen.
Der eine Wolf ist böse: Er ist Hass, Zorn, Neid, Anspannung, Ungeduld, Eifersucht, Sorgen, Schmerz, Gier, Arroganz, Selbstmitleid, Schuld, Vorurteile, Minderwertigkeitsgefühle, Lügen, falscher Stolz und auch das Ego.
Der andere Wolf ist gut: Er ist Liebe, Freude, Frieden, Gelassenheit, Geduld, Hoffnung, Heiterkeit, Demut, Güte, Wohlwollen, Zuneigung, Großzügigkeit, Aufrichtigkeit, Mitgefühl und Glauben.“
Der Enkel denkt einige Augenblicke über die Worte nach. Dann schaut er seinen Großvater an und fragt: “Großvater, welcher der beiden Wölfe gewinnt den Kampf?”
Und der Alte antwortet: „Der, den du fütterst!“

Welchen Wolf fütterst du?

Natürlich passt diese schöne und weise metaphorische Geschichte auf viele Situationen im Leben, auch ganz allgemein zu der Frage: Wie will ich leben? Was ist mein Sinn im Leben? Was ist mir wichtig?
Sie passt aber eben auch zum Thema Trauer so unglaublich gut. Es gibt kurz gesagt den JA-Wolf und den NEIN-Wolf. Ich persönlich empfinde die beiden Wölfe in mir mehr denn je, auch wenn ich die Indianergeschichte schon lange kannte. Meine Trauer hat die Empfindung dafür verstärkt und stellt mich immer noch jeden Tag vor die Entscheidung, welchen Wolf ich (heute) füttern will. Ganz ehrlich, in der Theorie mag die Antwort leicht sein: Natürlich füttere ich den JA-Wolf! Aber praktisch ist es oftmals erst ein Ringen, damit der NEIN-Wolf geht und ich den JA-Wolf füttern kann.

 

Ich wünsche DIR, dass auch DU den JA-Wolf füttern kannst in deiner Trauer – zumindest meistens.

Bildquelle: pixabay

Ich bin Svenja,

die bewusst im Hier und Jetzt lebt, die Natur genießt und keine Pläne mehr verschiebt seit ihr Mann diese Welt verlassen hat.

Ich bin Wegbegleiterin und Mutmacherin, die Menschen in Trauer-, Trennungs- und Umbruchsphasen dabei begleitet wieder neu in ihre Lebendigkeit zu kommen.

 

Du bist in schweren Zeiten nicht alleine.

Ich gehe ein Stück des Weges mit dir.